Bild Kinokids werden „flügge“

Kinokids werden „flügge“

Unter dem Namen Kinokids wird man die jungen Arnsdorferinnen und Arnsdorfer nicht mehr finden – auch wenn sie bei vielen Erwachsenen im Ort noch gern darunter „getitelt“ sind. Auch kommen die wenigsten der aktuell sieben bis neun 11- bis 16-Jährigen Mitglieder des Projektclub Arnsdorf aus dem Ort selbst. Mittlerweile machen Kleinwolmsdorfer, Lichtenberger, Bretniger und bald Bischheimer mit. Der gemeinsame Bezug zu den Schulen der Protagonisten machts möglich und (außer bei der Logistik zum Veranstaltungsort zu kommen) auch nicht schwieriger. Es ist eher der Beweis, dass es in vielen Dörfern an offenen Freizeitangeboten für Teenager fehlt.

(Fast) nichts ist unmöglich

Aktuell steht das Badfest vor der Tür, wobei die Gruppe das Kinderkino und die Kinderolympiade mitorganisiert. Überhaupt ist das Karswaldbad Dank einer sehr guten Kooperation mit dem ehrenamtlichen Badverein zur zweiten Heimat für die sonst „nomadischen“ Mädchen und Jungen (ohne festen Treff-Ort) geworden. Dort kommt man 14-tägig zusammen und spinnt Ideen für die Kommune Arnsdorf, welche mittlerweile weit über die reine Organisation von Kinoveranstaltungen „von Kids für Kids“ hinausgehen. Immer sind es die Ideen der Jugendlichen selbst, die das Jahresprogramm mit bis zu 4 öffentlichen Aktionen vorgeben. Gesetzte Größe bleibt das Kino im Dorfgemeinschaftshaus Fischbach zum Buß- und Bettag – ein perfekter Tag, an dem Kinder und ihre (Groß-)Eltern die Zeit haben, sich bei Popcorn, Getränken und aufgepepptem Ambiente Kinoflair in den Heimatort zu holen. Und genau mit der Idee, für ein Kino nicht für teuer Geld in die Landeshauptstadt zu fahren, fing es an.

Begleitetes „Selbst-in-die-Hand-nehmen“

Auch wenn die Kids nun schon in der zweiten Generation Spaß am Organisieren eigener Veranstaltungen entwickeln, braucht es für einen geeigneten Rahmen Profis, die kontinuierlich den roten Faden halten, zuverlässig Steine aus dem Weg räumen, Ansprechpartner in vielen Lebensphasen sind und den Mädchen und Jungen vor allem das Gefühl geben, dass es nicht nur bei Wünschen bleiben muss, wenn man selbst bereit ist, im Team etwas beizutragen. Das ist wohl der Schlüssel dafür, dass das Projekt seit 2018 funktioniert und in Gänze sicher um die 30 Teenager hat gehen und kommen sehen. Und diesen Schlüssel hält das Regionalteam mit dem mobilen Bezugs-Jugendarbeiter Torsten Kluge in der Hand. Die Leute vom Netzwerk für Kinder- und Jugendarbeit fühlen sich für 13 Kommunen zuständig, im Rödertal, im Pulsnitztal und in Kamenz und Umgebung.

Keine Orte und gebundene Hände

Das, was Dörfer wie Arnsdorf benötigen, kann man nicht einfach herbeizaubern und auch das mobile Kinoprojekt ist nur ein Punkt, der nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass es neben fehlenden Kinder- und Jugendtreffpunkten auch an kompetenter personeller Begleitung fehlt. Die Haushalts-Kassen in den Gemeinden und vor allem im Landkreis stehen auf Einsparmodus. So kommt sich Torsten wie auch seine Kolleg*innen oft wie ein Notfallprogramm vor – das zu erhalten oder zu unterstützen, was meist auf ehrenamtlicher Initiative von Eltern oder Vereinen aufbaut. 2011 mit Einführung der sozialräumlich agierenden mobilen Regionalteams sprach man im Landratsamt auch noch von einer „Grundversorgung“ für den ländlichen Raum. Und das stimmt.

In Arnsdorf sind es seit 2016 oft engagierte Frauen, welche um die Perspektive der jungen Generation im Ort bangen und nach Lösungen suchen. Meist auch Personen, die an vielen Stellen powern und denen zeitlich damit oft die Hände gebunden sind. Auch bei den Kinokids respektive Projektclub war das so: Franziska Martin, Gemeinderätin und damals stark in den „Arnsdorf hilft“ e.V. involviert, fand den Weg zum Regionalteam. Da der Ursprungswunsch eines Kinder- und Jugendhauses einem Berg gleichende Hürden aufweist, einigte man sich auf ein Zeichen setzendes „Versuchslabor“: Kinder und Jugendliche beteiligen, dementsprechende Aktionsorte flexibel wählen und mit Hilfe von Eltern und Bekannten ein Zeichen für mehr Jugendfreundlichkeit setzen.  2018 gab es zwei Jugendforen in Kleinwolmsdorf und Arnsdorf. Mit sehr geringer Beteiligung – aber die hatte es wohl in sich. Zwei Ideen setzen sich für Arnsdorf durch: ein Bandproberaum, welcher in der jetzt abgerissenen alten Schule bis 2020 sein Domizil fand und ein Kinderkino. Ole und seine Mama waren von der Idee so begeistert, dass sie sich schnell daran machten Geschwister und Freunde mit ins Boot zu holen.

Vom Privaten zum Öffentlichen

Die ersten Treffs mit damals vier und dann schnell sieben ca. 11-Jährigen waren dann chaotisch schön und im Garten auf dem privaten Grundstück von Familie Freudenberg. Als Jugendarbeiter*in im „Ländlichen“ lernt man schnell die „abgefahrensten“ Locations kennen, wenn zentrale öffentliche Orte fehlen. Ein Favoriten-Ort fürs Kino war schnell gefunden. Noch gab es den alten DDR-entstandenden Kinosaal, deren Besitzerin im Ruhestand wir zu Tränen rührten, als zwei Kids-Kinos mit über 70 bis 80 Gästen stattfanden. Denn es waren auch die letzten Veranstaltungen bis zum Verkauf und Umbau des Objektes, an dem alle Generationen im Dorf hingen. „Wenn der Saal nur immer so voll gewesen wäre“, meinte sie nebenbei und zielte damit auf den Zerfall der Dorfkino-Tradition in den 90ern ab.

Filmrechte, GEMA, Essens- und Getränkeverkauf, Dekoration und Gäste-Service, Werbung – das geht nur gefördert, aber es geht. Inklusive Kindern mit stolz geschwellter Brust über das selbst Geschaffene.

Ein Projekt platzt aus den Nähten

Das spricht sich rum. Schnell waren es bis zu 20 Kinokids und bis zu 20 neue Ideen für „mehr los“ in Arnsdorf. Diese unter einen Hut zu bringen war herausfordernd, trotz elterlicher und ehrenamtlicher Unterstützung. Regionalteam-Kollegin Sarah Pfeiffer half in der Zeit aus, beide Sozialarbeiter*innen ja noch mit je 10 bis 15 Gruppen in anderen Kommunen, welche die helfende Aufmerksamkeit einforderten. Von den Kinokids trennte sich für 2 Jahre die Multiroomkids-Gruppe ab. Sport-Spaß-Spielaktionen und ein Mädchentreff waren deren Ding.

Die Kinoveranstaltungen fanden einen neuen umfunktionierten Ort in Fischbach mit dem Handicap, hier auch noch Technik und Leinwand für je einen Tag auszuleihen. Der Gemeindeverwaltung und diversen Supports bzw. Sponsoren sei Dank keine Unmöglichkeit. Aber eine neue Herausforderung tat sich auf, welche zählbare Spuren hinterließ.

Corona kam und ging, der Projektclub blieb

Ein Virus und dessen soziale Folge-Erscheinungen trafen auch die Arnsdorfer Initiative – Treffen und öffentliche Veranstaltungen konnten nicht mehr stattfinden. Neben dem Fakt, dass einige der Projektclub-Mitglieder „flügge“ wurden, andere Interessen entwickelten und die Gruppe (meist mit 14 oder 15 Jahren) verließen, schrumpfte mangels Live-Kontakten die Gruppe wieder auf (immer in wechselnder Besetzung) die sieben bis 10 Heranwachsenden, die es bis heute sind. Trotzdem konnte eine Sehnsuchtsidee in dieser Zeit umgesetzt werden: einen eigenen Kurzfilm drehen. Mit Axel vom SAEK Dresden (mittlerweile auch Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen) konnte der Phantasie rund um Zombies und Zauberwelten ein 13-minütiges Leben eingehaucht werden.

Das war der Türöffner für ein erweitertes Projektprogramm mit Jugendfreizeitnachmittagen, Halloween-Partys, alkoholfreien Cocktailbars und einem neuen Namen. So manches Talent wurde dabei entdeckt und wird wohl immer eine schöne Erinnerungs-Beeinflussung an die Kids-Zeit beinhalten. Das ist es, was den Projektclub Arnsdorf ausmacht: ein Mittel gegen „Vereinsamung“ sein, öde Zustände aktiv beseitigen, beim Ausprobieren lernen, sich für andere engagieren. Und alle nehmen etwas fürs Leben mit, was soziale Wurzeln im Projektclub hat.

Der Bedarf bei Teenagern an beteiligenden Freizeitangeboten ist groß, genauso wie der der Eltern und erwachsenen Dorf-Einwohnern bezüglich ihrer Schützlinge. Hier braucht es die beratenden und begleitenden professionellen „Schlüsselpersonen“ mit Bezügen an die versteckten Orte in der Region, welche durch die mobile Jugendarbeit der Regionalteams nur punktuell abgedeckt werden kann. Ohne diese Konstanten würde so manche Idee ungehört sterben und so manches individuelle Hilfe-Gespräch nie zustande kommen.