Kamal
Danke, dass du meine Geschichte* hören willst!
Hallo, ich bin Kamal, 12 Jahre alt und komme aus einem Dorf in der Nähe von der Stadt Bautzen. Vor 7 Jahren bin ich mit meiner Familie nach Europa geflüchtet und lebe nun in Deutschland. Geboren bin ich in Allepo, Syrien. Wegen des Bürgerkrieges mussten wir unser Haus verlassen und sind in Damaskus in einem Flüchtlingslager untergekommen. Dort haben IS-Kämpfer das Lager angegriffen, so dass meine Eltern mich und meine zwei Geschwister in Sicherheit bringen mussten. Mit viel Hilfe und einem langen Weg zu Fuß, in überfüllten und engen Bussen und Autos sowie auf Schlauchbooten kamen wir nach ca. vier Monaten letztendlich in Deutschland an. Ich kann mich nur noch an ein paar wenige Dinge auf der Flucht erinnern. Doch ein Erlebnis, als mein Vater in Streit mit einem Schleuser geraten ist, ist mir im Gedächtnis geblieben. Genau weiß ich es aber auch nicht mehr, weil ich ja erst 5 Jahre alt war. Doch diese Sache beschäftigt mich fast jede Nacht in meinen Träumen und ich wache dann immer wieder voller Angst auf.
Mit meiner Familie lebe ich in einer kleinen Wohnung. Mein Vater geht arbeiten als Helfer in einer Reinigungsfirma. In Syrien hatte er einen eigenen Laden, in dem er jeden Tag frisches Obst und Gemüse verkaufte. Meine Mutter half ihm dabei. Hier kümmert sie sich um uns Kinder. Sie würde gerne arbeiten gehen, doch leider hat sie noch sprachliche Schwierigkeiten und kein Unternehmen kann sie einstellen. So ist sie zu Hause und kümmert sich um uns und den Haushalt. Glücklich scheint sie dabei nicht zu sein. Wir Kinder gehen alle zur Schule. Mein Bruder und ich sind auf dem Gymnasium. Meine kleine Schwester in der Grundschule. Auch wenn es uns manchmal sehr schwerfällt, wir haben ein Ziel vor Augen. Vater sagt immer, dass Bildung das Wichtigste ist, um ein gutes Leben führen zu können. Und das möchten wir! Wir wollen lernen, vielleicht studieren und dann arbeiten. Zurück nach Syrien möchte ich nicht gehen. Aber ich will anderen zeigen, dass es möglich ist, sich trotz aller Schwierigkeiten und kultureller Unterschiede in einem für meine Familie fremden Land ein gutes Leben aufzubauen und dabei für die Unterstützung, die wir bekommen haben, auch etwas zurückgeben zu können.
Ich bin dankbar, dass ich zur Schule gehen darf und hier im Jugendtreff, der einmal pro Woche gleich bei mir um die Ecke offen hat Freunde gefunden habe, die mir wie auch die Betreuer dort geholfen haben, Deutsch zu lernen und auch alles das, was das Leben hier in Deutschland ausmacht. Ohne diese Unterstützung auch von unseren Nachbarn hätten wir viel mehr Schwierigkeiten gehabt. Mit Tom, einem jungen Mann der zu einem Verein gehört, der Geflüchteten hilft, habe ich vor zwei Wochen im Jugendtreff einen Nachmittag gestaltet. Da konnte ich ein bisschen von meiner Heimat erzählen aber vor allem haben wir dann zusammen gekocht – syrisch, so wie es meine Mutter macht. Das war toll! Nächsten Monat wird Thanh dann etwas über Vietnam, der Heimat seiner Großeltern, berichten. Darauf freue ich mich schon!
„Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.“ (§1 SGB XIII)
*Die Lebensgeschichte bezieht sich auf reale Erfahrungen, welche die Sozialarbeiter*innen innerhalb ihrer Arbeit erleben. Die Namen sind anonymisiert.
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