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Robert

Danke, dass du meine Geschichte* hören willst!

Ich bin Robert, 25 Jahre alt und wohne inzwischen wieder auf dem Dorf, bin Familienvater und nun auch recht zufrieden mit meinem Leben. Aber gleich vornweg: Bei mir lief nicht immer alles gerade aus. Ich habe viele Entscheidungen getroffen, die nicht klug waren und mich immer wieder in Schwierigkeiten gebracht haben. Ich wusste oft nicht weiter und habe Mist gebaut. Aber letztlich haben mich all diese Erfahrungen zu dem gemacht, der ich heute bin! Und ich hatte das Glück, auch immer mal wieder auf Menschen zu treffen, die mir die Hand gereicht haben. Aber von vorn …

Aufgewachsen bin ich die ersten drei Jahre bei meiner Mutter in Radeberg. Daran kann ich mich aber nicht mehr so richtig erinnern. Und wenn, nur an Sachen wie Geschrei, Streit und dass ich oft Hunger hatte. Irgendwann wurde dann entschieden, dass ich bei meiner Oma wohnen soll. Das hielt die Frau vom Jugendamt damals für besser. Und sie hatte damit ja auch irgendwie Recht, auch wenn ich als kleiner Junge doch meine Mutter vermisst habe. Meinen Vater kenne ich nicht. Ich habe ihn nie getroffen oder Kontakt zu ihm gehabt. Irgendwer hat mir neulich mal erzählt, dass er wohl verstorben sein soll. Aber genau weiß ich da nichts.

Meine Zeit in der Grundschule lief eigentlich ganz gut. Die Schule war im selben Dorf, in der meine Oma lebte und die Zeit damals war schon schön. Doch als ich dann in die Oberschule kam, musste ich nach Bautzen fahren. Und damals fingen die Probleme an. Bei uns in der Schule war immer was los. Ich gehörte zu der Gruppe, mit der man sich besser nicht angelegt hat. Wir waren da schnell dabei, auch mal zuzuschlagen und bekamen immer, was wir wollten. Da hatten auch die Lehrer keine Chance. Der Unterricht war irgendwann nur noch Nebensache und als dann die Drogen und das Dealen dazu kamen, war ich nur noch selten da. Meine Oma hat in dieser Zeit ganz schön gelitten, was mit jetzt so im Nachhinein wirklich leidtut. Aber mir fehlten damals irgendwie der Halt und ein richtiges Ziel. Und so kam ich dann von einer Wohngruppe in die nächste. Ich wusste irgendwann genau, was die Leute und das Jugendamt hören wollten, damit ich meine Ruhe hatte. Das führte aber dazu, dass ich mich in immer neue Schwierigkeiten brachte. Am Ende landete sich sogar zwei Wochen im Jugendknast. Aber auch das hat nicht wirklich was verändert! Im Gegenteil!

Vor sechs Jahren ungefähr gab es dann ein Erlebnis, was mich zum Nachdenken brachte. Einer meiner besten Freunde, mit dem ich so manche Aktion gerissen hatte, starb. Wie ich war er schon früh mit Drogen in Berührung gekommen. Und echt – dieses Crystal ist ein Scheißzeug! Zum dem Zeitpunkt konsumierte ich auch noch, begann mich aber langsam zu fragen, ob ich so wirklich weitermachen will. Ich lernte damals auf der Straße einen Streetworker kennen, der wahrscheinlich der erste Mensch war, der mir mal zuhörte und mich nicht von vornhinein verurteilte. Er half mir, einen Platz in einer Klinik zu finden und wir haben sogar heute manchmal noch Kontakt. Die nächsten Jahre waren echt hart. Ich brauchte mehrere Anläufe, um clean zu werden und dachte so oft, dass ich das nie schaffen werde. Ich bin in der Zeit dann irgendwann auch zurück zu meiner Oma gezogen, die mich glücklicher Weise wieder aufgenommen hat. Und ich lernte Emi kennen – das Beste, was mir passieren konnte. Sie verließ die Klinik vor mir und hatte ihr Leben auch besser im Griff als ich. Ohne sie und ihre „Tritte in meinen Arsch“ hätte ich es wahrscheinlich niemals geschafft.

Zurück bei meiner Oma meldete ich mich in der Abendschule an und holte meinen Schulabschluss nach – erst die Hauptschule und dann die Realschule. Und ehrlich gesagt, fiel mir das Ganze auch gar nicht so schwer und machte sogar ein bisschen Spaß. Emi und ich wurden ein Paar und naja, was soll ich sagen, sie wurde schwanger! Das war erst mal ein Schock aber natürlich freuten wir uns und planten von da an unsere gemeinsame Zukunft. Doch so einfach ist das natürlich gar nicht. Als es mit der Ausbildung bei mir nicht gleich klappte, fiel ich wieder mal in ein Loch und alles wurde mir nach und nach egal. Ich habe nicht nur einmal mit dem Gedanken gespielt, meinen alten Dealer anzurufen. Aber der Gedanke an meine Oma, die mehr und mehr meine Hilfe brauchte, Emi, die in den Abschlussprüfungen zur Krankenpflegehelferin steckte, und an meinen Sohn, der bald geboren werden würde, hielt mich ab. In der Klinik sagte mir mal eine Sozialarbeiterin, dass man nicht bestimmen kann, wo man her kommt, dass man aber entscheidet, wo man hingeht!

Heute ist mein Sohn Lennox schon fast vier Jahre alt. Ich habe im Frühjahr meine Ausbildung als  Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker abgeschlossen und arbeite seit dem in einer kleinen Werkstatt im Nachbardorf. Emi und ich sind noch vor der Geburt von Lennox zusammengezogen. Ihre Bedingung damals war es aber, dass ich die Ausbildung durchziehe und die Finger von den Drogen lasse. Oma wohnt nun im Heim und wir besuchen sie regelmäßig. Uns geht es gut! Und worauf ich besonders stolz bin: Ich engagiere mich jetzt ehrenamtlich, wenn immer ich Zeit dazu habe. Dann zeige ich Jugendlichen in der kleinen Schrauberwerkstatt im Jugendhaus in unserem Ort, wie sie ihr Moped selber reparieren können. Einigen habe ich auch von meiner Geschichte erzählt. Vielleicht kann ich ja so mithelfen, dass diese Jungs nicht den gleichen Weg nehmen, wie ich  es getan habe.

„Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.“ (§1 SGB XIII)

*Die Lebensgeschichte bezieht sich auf reale Erfahrungen, welche die Sozialarbeiter*innen innerhalb ihrer Arbeit erleben. Die Namen sind anonymisiert.  

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